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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fitmacher mit umstrittenem Nutzen (nahrungsergänzungen)



muskelbody
30.11.2002, 16:07
Stuttgart/Bonn (dpa/gms) - Der Markt für so genannte Nahrungsergänzungsmittel boomt. Vitamine, Mineral- und andere Nährstoffe in Form von Pillen, Dragees, Pülverchen und Extrakten sollen, glaubt man den Herstellern, ohne Mühe der Gesundheit und der körperlichen Fitness nutzen. Einnahme und Wirksamkeit der Substanzen werden jedoch kontrovers diskutiert.

Viele gesunde Menschen greifen täglich zu den Nahrungsergänzern im Glauben, dass frisches Obst und Gemüse nährstoffarm und überlagert sind. Zudem misstrauen sie dem Nährwert industriell hergestellter Produkte. Helfen sollen stattdessen isolierte, in konzentrierte Form gebrachte Mikro- und Makronährstoffe. Dazu gehören Hefe, Fischöl, Enzyme, Amino- und Fettsäuren, Vitamine sowie Mineralstoffe - häufig auch in Kombinationen. »Wir hatten noch nie so hochwertige Lebensmittel und so viele Möglichkeiten, uns gesund zu ernähren wie heute. Wer sich jedoch nicht ausgewogen ernährt, kann natürlich Mangelerscheinungen haben«, erklärt Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart.

Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn warnt davor, sich in solchen Fällen allzu sehr auf Nahrungsergänzungsmittel zu verlassen: »Da diese nur isolierte Substanzen enthalten, können sie niemals die Kombination an Nährstoffen ersetzen, wie sie in Lebensmitteln vorliegen.« Mit Ausnahme von Jod und Folsäure könne alles andere über die normale Ernährung abgedeckt werden. »Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte nicht als Alibi für den Ausgleich einseitiger Essensgewohnheiten missbraucht werden«, warnt Gahl.

Nicht einmal ein Fünftel der Bevölkerung esse ausreichend Obst und Gemüse, weiß Sven-David Müller von der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen aus Studien. Auch die DGE beklagt, dass jeder Deutsche im Schnitt weniger als 280 Gramm frisches Obst und Gemüse täglich verzehrt - statt idealerweise 5 Portionen á 120 Gramm. Ebenso liegt demnach der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von nur 14 Kilogramm Gramm Fisch unter den wöchentlich empfohlenen zwei bis drei Fischmahlzeiten. Vor allem Seefisch soll die Zufuhr von Jod und Omega-3-Fettsäuren gewährleisten.

»Der Bedarf eines Menschen ist nicht so pauschal zu definieren. Er steigt bei physischer und psychischer Belastung«, sagt dagegen Jens Meyer-Wegener vom Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren in Freudenstadt (Baden-Württemberg). In Stresssituationen hält er eine gezielte Nahrungsergänzung für sinnvoll. Müller betont, generell spreche nichts gegen die Einnahme von Vitaminen wie Folsäure, E und C sowie Mineralstoffen wie Calcium, Jod, Fluorid, Zink, Eisen und Magnesium.

Bei Risikogruppen wie Schwangeren, Stillenden, mit Muttermilch ernährten Säuglingen, Senioren, Leistungssportlern, Rauchern und Alkoholikern sind sich alle Ernährungsexperten über die Notwendigkeit einer Substitution einig. »Säuglinge brauchen zusätzlich Vitamin D, da es mit der Muttermilch nicht ausreichend zugeführt wird«, sagt Antje Gahl. Dieses Vitamin empfiehlt Müller ebenso älteren Menschen, die ihre Wohnung kaum noch verlassen. Raucher litten vor allem unter Vitamin-C-Mangel. Eine Zugabe von Calcium sei bei jüngeren Menschen angebracht.

Neuartige Produkte, die Extrakte sekundärer Pflanzenstoffe aus Obst und Gemüse enthalten, werden dagegen unisono kritisch bewertet. Die ernährungsphysiologische Qualität sei selten überprüft, so Antje Gahl. »Die Wirkungen von sekundären Pflanzenstoffen aus Obst und Gemüse können nicht durch Substitution einzelner Stoffe ersetzt werden«, sagt Achim Bub von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Denn nur die Vielfalt der Substanzen in einer abwechslungsreichen Kost sei für die gesundheitsfördernden Effekte verantwortlich.

In der Grauzone zwischen Lebens- und Arzneimitteln tummeln sich nach Ansicht der Experten einige Produkte, die wirkungslos und trotzdem teuer sind. »Den Leuten wird regelrecht das Geld aus der Tasche gezogen«, kritisiert Verbraucherschützerin Manthey. »Nahrungsergänzungsmittel fallen oftmals in den Bereich der zulassungspflichtigen Arzneimittel«, sagt Sabine Buschick vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Entweder werden für Lebensmittel unzulässige medizinische Wirkungen angepriesen, oder die Gefahr der Überdosierung lauert.

Präparate aus dem Ausland, die meist im Internet angeboten werden, kommen nicht selten in hochdosierter Form auf den Markt, so Buschick. »Wir wissen, dass sie in dieser Dosis nicht unbedenklich sind.« Eine Kontrolle sei kaum möglich. Wer also unbedingt zu einem der Pülverchen greifen will, sollte auf Anraten der Ernährungsexperten zuvor mit seinem Arzt sprechen oder sich vom Apotheker beraten lassen. Von Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Internet wird abgeraten. Eine Selbstmedikation nach dem Motto »Je mehr, desto besser« belastet vor allem den Geldbeutel.

27.11.2002 dpa