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muskelbody
11.12.2002, 12:22
Zwischen Reiswaffeln und Eiswaffeln

Der Trierer Ilario Rongioletti nimmt am Samstag an den Bodybuilding-Weltmeisterschaften in Nordheim teil.

TRIER. Seit zwei Jahren betreibt Ilario Rongioletti Bodybuilding auf Wettkampf-Niveau. Seine Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: zwei Mal Deutscher Meister und ein Mal WM-Dritter.



11.30 Uhr zeigt die Uhr über der Theke des "Sport Aktiv Clubs" an * für Ilario Rongioletti Zeit zum Essen. Genauer: Zeit für die Reiswaffeln. Zwei Packungen á 15 Scheiben liegen auf dem Tisch. Genüsslich tunkt er vor dem Verzehr Scheibe für Scheibe in eine milchige Flüssigkeit. "Mein Protein-Shake", erklärt Rongioletti, der mit seinen höflichen Umgangsformen ganz und gar nicht das Vorurteil vom Bodybuilder mit Macho-Allüren bedient.
Die Reiswaffel-Mahlzeit zählt zu seinem Tagesablauf wie das Zähneputzen. Seit sich Rongioletti in der nur drei Monate kurzen, aber intensiven Wettkampfphase befindet, variiert seine Nahrungsaufnahme nur wenig. 7 Uhr: Müsli mit Bananen und zehn Eiklar; kurz vor Mittag: die besagten Reiswaffeln; 14 Uhr: Putenfleisch mit Nudeln; 16 Uhr: Quark oder eine Dose Tunfisch; 19 Uhr: Rindersteak mit Tomaten, Brokkoli, Pilzen: summa summarum fast 3000 Kalorien. Der 30-Jährige hat damit keine Probleme: "Es fällt mir nicht schwer, diese Vorgaben einzuhalten. Schließlich schmeckt es auch gut."

Zwischen Müsli mit Eiklar und Reiswaffeln mit Protein-Shake schiebt Rongioletti seine Trainingsphase ein. Sechs Mal pro Woche geht er für rund 90 Minuten ins Fitness-Studio. Immer vormittags, wenn dort kaum Betrieb herrscht. Bei vier der sechs wöchentlichen Einheiten steht Krafttraining im Vordergrund: Übungen für Oberarme und Brust, für Bauch und Rücken, für Gesäß und Beine. Immer pendelt um seinen Hals ein silbernes Kettchen mit einem großen "S" darauf. "S" wie Superman? "Stimmt", lächelt er. "Das ist so ein kleiner Spaß von mir."

Entscheidend in der Wettbewerbsphase ist die hohe Wiederholungsanzahl. Zehn bis 18 Mal stemmt er am Stück schwere Gewichte in die Höhe. Das unterscheidet die Wettbewerbs- von der Massentrainings-Phase, die von Anfang Februar bis Ende September andauert: Dann spachtelt er täglich sogar 4500 Kalorien in sich hinein, trainiert mit schwereren Gewichten, aber dafür geringeren Wiederholungen.

An den beiden übrigen Tagen schwingt sich Rongioletti aufs Fahrrad. Diese Einheiten sind zwar etwas kürzer, aber genauso anstrengend: Eine Stunde lang strampelt er sich auf dem Cardio-Gerät ab. "Das ist gut für die Kondition, die Fettverbrennung und den Wasserverlust", erläutert Rongioletti.

Den Trainings- und Ernährungsplan hat er mit Trainer Helmut Wuttke abgestimmt . Wuttke ist 55 und Ex-Radrennfahrer. Seit 30 Jahren mischt er in der Fitness-Szene mit, hat auch selbst einmal Bodybuilding betrieben.

Vor etwas mehr als einem Jahr kam er zu Rongiolettis Vater in die Eisdiele "San Marco" und bot dem Filius seine Hilfe an. Seitdem sind Wuttke und Rongioletti junior ein in Sachen Bodybuilding ein Duo: ein erfolgreiches Duo.

Apropos Eisdiele "San Marco": Hier steht eine der Wiegen des Erfolges. Die ganze Familie unterstützt den Sprössling. "Meinen Eltern gebührt großer Dank, aber genau so meiner Freundin", unterstreicht Rongioletti. Mittlerweile führt der gelernte Autolackierer in der Filiale am Hauptmarkt die Geschäfte. Die Arbeit in der Eisdiele vervollständigt seinen Zehn-Stunden-Tag. Mit dem Bodybuilding lässt sich eben (noch) kein Geld verdienen.

Rongioletti ist in Deutschland geboren, seine Eltern aber stammen aus Foggia im Süden Italiens. Omas, Tanten und Cousinen wohnen noch dort. Einmal im Jahr, zur Weihnachtszeit, fährt Rongioletti sie besuchen. Dieses Jahr gibt es an Heilig Abend sicher etwas ganz Aktuelles zu berichten: Denn am Samstag nimmt er in Nordheim bei Hannover an der Bodybuilding-Weltmeisterschaft teil.

Es ist bereit sein zweiter WM-Auftritt. Im vergangenen Jahr erreichte er als amtierender Deutscher Meister einen hervorragenden dritten Platz. Doch seitdem hat sich einiges geändert: Der 1,78 Meter große Athlet hat fünf Kilo zugelegt, bringt jetzt 83 Kilogramm (Kampfgewicht) auf die Waage und fällt damit in eine andere Klasse. Dass ihm die neue Konkurrenz nur wenig Angst einjagt, bewies er bei der Deutschen Meisterschaft in Arnstadt: Platz eins.

"Es kommt eben nicht nur auf die reine Muskelkraft an", begründet Trainer Wuttke das gute Abschneiden. "Du musst auch Nervenstärke, Disziplin, Ausdauer und gewisse körperliche Voraussetzungen mitbringen."

Gebräunt und geölt zum Wettkampf

Der Wettkampf dauert nur einen Tag, doch der ist voll gepackt. Athletentreffen morgens, Gewichtsklassen-Einteilung, Startnummer-Vergabe, anschließend Pause. Essen, ruhen, konzentrieren. Um 16 Uhr beginnt der Wettkampf. Gebräunt, geölt, "quasi geschminkt" (Wuttke) tritt Rongioletti mit seinen Mitstreitern auf die Bühne.

Der Ablauf ist vergleichbar mit dem Eiskunstlauf. Zuerst die Pflicht, dann die Kür. Bei der Pflicht kommt es vor allem auf die Nervenstärke an: Alle Teilnehmer stehen auf der Bühne und zeigen die von der Jury verlangten Posen. "Da darfst du dich nicht falsch bewegen", erzählt Rongioletti. Immerhin 55 Prozent der Gesamtwertung macht die Pflicht aus.

Es folgt die Kür. 90 Sekunden hat jeder Wettkämpfer dafür Zeit, zehn bis zwölf Posen fügt er zu einer Folge zusammen, untermalt von selbst ausgesuchter Musik. Rongioletti tritt in diesem Jahr zum Titelsong von "Connan, der Barbar" auf. Und wer weiß, wovon er seiner Verwandtschaft in Foggia am 24. Dezember erzählen kann? Vielleicht vom WM-Titel?

Quelle: Intrinet.de